Präsentation Freising: Die Spur der Individualität aufnehmen
11 Freisinger Schülerinnen und Schüler des Camerloher Gymnasiums präsentierten am 26. Januar 2017 die von ihnen erarbeiteten Gedächtnisblätter in Freising. Der betreuende Lehrer Andreas Decker berichtet über diesen Abend.

„Namen statt Nummern“ – unter diesem Motto erforschen seit Jahrzehnten Schüler und auch erwachsene historische Laien die Biografien von Häftlingen des ehemaligen Konzentrationslagers Dachau. So sind schon Hunderte von Gedächtnisblättern entstanden, auf denen an das Leben und Leiden dieser Menschen erinnert wird. Sie liegen im Gedächtnisbuch in der Evangelischen Versöhnungskirche in der Gedenkstätte Dachau zum Lesen bereit.
Zum zweiten Mal beschäftigte sich auch ein W-Seminar des Camerlohers mit den Biografien von Dachau-Häftlingen, diesmal mit Männern aus der Region: Darunter sind politisch verfolgte wie die relativ bekannten SPD-Mitglieder Ferdinand Zwack und Hans Unterleitner oder drei junge Leute aus Hohenkammer, die mit der SA aneinandergerieten. Darunter ist auch der Homosexuelle Peter Granninger, der für SA-Stabschef Röhm als Zuhälter arbeitete, der Pallotinerpater Albert Eise und der deutsche Jude Oskar Holzer, der 1938 aus Freising verjagt wurde und wenig später in München starb, während die meisten seiner Familienmitglieder in den Vernichtungslagern und Ghettos ermordet wurden. Die Ergebnisse ihrer Recherchen haben die 11 Schülerinnen und ein Schüler auf den Gedächtnisblättern präsentiert, die zurzeit in Kopie in der Aula aushängen. Außerdem hielten sechs von ihnen kurze, aber sehr informative Präsentationen vor etwa 100 Gästen.
Es war am Vorabend des 27. Januar, dem Tag, der zugleich Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus und Hans Unterleitners Geburtstag ist. Albert Knoll, Leiter des Archivs der Gedenkstätte Dachau, warnte in seiner Einführung sehr eindrücklich vor der Gefahr der Verharmlosung und Verleugnung der NS-Verbrechen, wie sie in der Gegenwart wieder von einigen unternommen wird. Es ist zu wünschen, dass die Erinnerungsarbeit gerade jetzt nicht nachlässt, auch wenn die Zeitzeugen immer mehr verschwinden und selbst die direkten Nachkommen schon alt geworden sind. Insofern erfreut es, wenn junge Leute so engagiert für das Gedenken eintreten.
(Text: Andreas Decker)
Aus der Rede von Albert Knoll stammt folgendes Zitat:
„Das Gedächtnisbuch hat es sich zur Aufgabe gemacht – die man gar nicht hoch genug loben kann – Laien wie Euch, die Ihr hier sitzt: Schüler und Schülerinnen, Angehörige, Heimatforscher, an dieses Thema heranzuführen. Ihnen zu zeigen, wie man mit den Quellen der Archive umgeht – und das Gedenkstättenarchiv ist bei weitem nicht das einzige – mit oft widersprüchlichen, nicht in eine stringente Biografie passenden und sehr interpretationswürdigen Informationen umgeht und daraus im besten Fall eine Biografie entstehen kann. Eine Biografie, die versucht, die Spur der Individualität aufzunehmen, der Konsequenz eines Lebens nachzuspüren – ein Leben, das vielleicht politisch engagiert, vielleicht aber auch nur im nationalsozialistischen Sinn unproduktiv war. Aber immer ist damit die Absicht verbunden, der verfolgten Person ihre Würde zurückzugeben. Eine Biografie, die uns vielleicht die Möglichkeit bietet, uns mit der verfolgten Person zu identifizieren.“
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