Studienfahrt Auschwitz/ Oświęcim: Geschichte und Pädagogik der Jugendbegegnungsstätte
Elżbieta Pasternak, pädagogische Mitarbeiterin der Internationalen Jugendbegegnungsstätte Auschwitz/ Oświęcim (IJBS), erläuterte den Teilnehmenden der Studienreise die Geschichte und Pädagogik der Internationalen Jugendbegegnungsstätte in Oświęcim.
Die IJBS in Auschwitz fußt im Kalten Krieg. Ein wesentliches Ereignis für ihre Entstehung war der nicht nur in Polen und Deutschland vielbeachtete Kniefall Willy Brandts vor dem Mahnmal für den Aufstand im Warschauer Ghetto im Dezember 1971. Diese vielbeachtete und protokollarisch nicht angekündigte Geste machte ein Ende des Kalten Kriegs denkbar.
Von der evangelischen und deutschen Organisation Aktion Sühnezeichen Friedensdienste ging dann Anfang 1971 die Initiative für eine Jugendbegegnungsstätte in Auschwitz aus. Einen Unterstützer fand Aktion Sühnezeichen Friedensdienste im September 71 im polnischen „Verband der Kämpfer für Freiheit und Demokratie“, auch der Bürgermeister der Stadt Oświęcim unterstützte das Vorhaben.
1976 wurde der Bauplatz ausgewählt, an der Soła liegend, direkt an der Grenze zwischen der Altstadt Oświęcims und dem Sondergebiet, eine Lage zwischen „Vergangenheit und Gegenwart“, erläuterte Elżbieta Pasternak, an der „Grenze zwischen Damals und Heute“.
Aber mit welchen Mitteln sollte das Haus gebaut werden? 1977 startete Aktion Sühnezeichen beim Kirchentag eine Spendenkampagne, es wurden Bausteine für 10 DM verkauft. Willy Brandt kaufte den ersten Baustein. Auf diese Weise standen schließlich 7 Mio. DM an Spenden zur Verfügung. Das Aufkommen der „Solidarność“ und damit verbundene stürmische Zeiten in Polen verhinderten zunächst eine rasche Inangriffnahme des Projekts Jugendbegegnungsstätte.
Nach Kontroversen um die Architektur und nicht zuletzt dank der Unterstützung durch die Stadt Oświęcim war es dann 1986 so weit, dass das Haus eröffnet wurde – als Gemeinschaftswerk eines deutschen und eines polnischen Architekten. Seit 1995 ist die Jugendbegegnungsstätte eine deutsch-polnische Stiftung, deutscher Stifter ist Aktion Sühnezeichen Friedensdienste, polnischer Stifter ist die Stadt Oświęcim. Die Aufsichtsgremien sind paritätisch deutsch-polnisch besetzt.
Pädagogik der Internationalen Jugendbegegnungsstätte O.
Die IJBS sei sich bewusst, dass sie auf dem größten Friedhof der Welt liege, erklärte Elżbieta Pasternak den Exkursionsteilnehmerinnen und -teilnehmern. Die Opfer stehen im Mittelpunkt der pädagogischen Arbeit, Dreh- und Angelpunkt war und ist die Zusammenarbeit mit Überlebenden. Eine wichtige Person nicht nur bei der Entstehung der Gedenkstätte Auschwitz, sondern auch bei der Entwicklung der pädagogischen Konzeption der Jugendbegegnungsstätte war Tadeusz Szymański, der von Anfang an Freiwillige von Aktion Sühnezeichen bei ihrer Arbeit begleitete. Zu den wichtigen Werten, die die IJBS vermitteln möchte, gehören selbständiges Denken, Autonomie und die Bildung eines kritisch-hinterfragenden Bewusstseins.
Angebote der IJBS
Jeder Gruppe bietet die Begegnungsstätte neben der Vor- und Nachbereitung des Gedenkstättenbesuchs vertiefende Möglichkeiten an, dazu gehören Fotografie- oder andere Workshops, eine Spurensuche, das Kennenlernen der jüdischen Geschichte der Stadt Oświęcim und auch die Auseinandersetzung mit dem Thema Zwangsarbeit und der Geschichte des Lagers Auschwitz III/Monowitz.
Internationale Begegnungsprojekte spielen eine große Rolle in der pädagogischen Arbeit der Jugendbegegnungsstätte. Hierzu sei mehr Zeit notwendig, man müsse sich erst kennenlernen, so Elżbieta Pasternak, das könne auch zu Konflikten führen. Ein Dolmetscher sei immer dabei.
Manche Projekte laufen über einen längeren Zeitraum mit Partnerorganisationen, etwa wenn Auszubildende des Volkswagenwerks unter der Aufsicht von Fachleuten Renovierungsarbeiten vornehmen. Das Haus bietet auch internationale Studienfahrten vor allem für Studierende an. „Für viele aus Westeuropa sind das kaum bekannte Orte.“, berichtete Elżbieta Pasternak über die polnischen Gedenkorte. Zusätzlich zu diesen Angeboten ermöglicht die IJBS auch Fortbildungsseminare für Multiplikatoren.
(12.3.2023; IS)